Mit Hilfe künstlicher Intelligenz ist es im Rahmen eines Forschungsvorhabens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gelungen, die wiederkehrende Belastung des Flüsschens Blau bei Ulm mit organischen Spurenstoffen aus der Arzneimittelproduktion zu analysieren und zu reduzieren. In enger Abstimmung und Zusammenarbeit des Landratsamtes Alb-Donau-Kreis, der Firma Teva und der Landeswasserversorgung konnte der Stoffeintrag bereits nach kurzer Zeit durch eine Reihe von Sofortmaßnahmen, wie die Ausschleusung hochkontaminierter Abwässer, reduziert werden. Eine weitergehende Abwasserreinigung ist in Planung. Sie soll im Herbst 2025 in Betrieb gehen.
Stuttgart, 6.2.2024. Oberflächengewässer wie Flüsse, Seen oder Talsperren, sind eine wichtige Ressource für die Trinkwasserversorgung. Derzeit wird in Deutschland etwa ein Drittel des Trinkwassers aus Oberflächenwasser, Uferfiltrat oder oberflächennahen Grundwässern gewonnen. Gleichzeitig sind Oberflächengewässer ständig verschiedenen Einträgen von organischen Spurenstoffen ausgesetzt. Typische Eintragsquellen sind lokale Einleitungen aus der industriellen Produktion oder aus kommunalen Kläranlagen sowie diffuse Stoffeinträge aus Abschwemmungen, Versickerungen, Erosionen und von landwirtschaftlich genutzten Flächen. Hinzu kommen Einträge aus nachgewiesenen oder unbemerkten Schadensereignissen. Von allen Spurenstoffeinträgen kann derzeit nur ein Bruchteil entdeckt und identifiziert werden. Häufig bleiben Einträge unerkannt, sie können nicht oder nur mit erheblichem instrumentellen und zeitlichem Aufwand einer Eintragsquelle zugeordnet werden.
Umfassendere Erkenntnisse über den Eintrag und die Verbreitung organischer Spurenstoffe in Oberflächengewässer sind daher zwingend notwendig. Sie ermöglichen effiziente und fokussierte Schutzmaßnahmen für die aquatische Umwelt und unsere Trinkwasserressourcen. Sie umfassend zu schützen, ist in Zeiten des Klimawandels von herausragender Bedeutung. Nur so kann die Trinkwasserversorgung, insbesondere in Hochverbrauchszeiten, sichergestellt werden.
Bereits im April 2021 startete das Projekt „Künstliche und kollektive Intelligenz zum Spurenstoff-Tracking in Oberflächenwasser für eine nachhaltige Trink-wassergewinnung K2I“. Es wird innerhalb des „Digital GreenTech – Umwelttechnik trifft Digitalisierung“ vom BMBF mit knapp einer Million Euro gefördert. Projektpartner sind das Leibniz-Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, die Technische Universität München mit dem Lehrstuhl für Analytische Chemie und Wasserchemie, das Technologiezentrum Wasser des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW) und die Landeswasserversorgung. Mit Hilfe eines innovativen analytischen Verfahrens, der sogenannten Non-Target-Analytik, können nicht nur bekannte, sondern auch bisher unbekannte Spurenstoffe in den Gewässern aufgespürt werden. Unter Beteiligung verschiedener Wasserversorgungsunternehmen wurde die Eignung des Projektes für den praktischen Betrieb getestet. Hierzu wurde eine Vorlage für eine laborübergreifende Cloudlösung entwickelt, mit deren Hilfe die Messdaten der beteiligten Labore im Kollektiv ausgewertet werden können, um Stoffeinträge in die Gewässer schneller zu erkennen und einzugrenzen. Auf der Grundlage einer überregionalen Datenbank ist es nun möglich, den Eintrag von Verunreinigungen weiter einzugrenzen. Beim Praxistest des K²I-Demonstrators identifizierten KI-Algorithmen unter tausenden von Signalen der Non-target Analytik laborübergreifend Anomalien aus Abwassereinleitungen in der Blau.
Im konkreten Fall der Schadstoffbelastung der Blau hat die Firma Teva die biologische Abbaubarkeit ihrer Einsatzstoffe von der Universität Stuttgart untersuchen lassen, um Fortschritte in der Abwasserbehandlung des Produktionsbetriebes über die aktuell gültigen Grenzwerte der wasserrechtlichen Genehmigung hinaus zu erzielen. Diese Grenzwerte wurden von der Firma Teva bereits in der Vergangenheit durch proaktive Maßnahmen, wie zum Beispiel das Ausschleusen von halogenierten Stoffen, eingehalten. Ein Gutachten unterbreitete Vorschläge zur weitergehenden Abwasserreinigung der schwer abbaubaren Substanzen und zu sieben Fachfirmen mit dem dazu erforderlichen Knowhow. In Versuchen im Labormaßstab stellte sich heraus, dass mit dem „Advanced-Oxidation-Process“-Verfahren mit einer Wirkstoff-Eliminationsrate von mehr als 99 Prozent die besten Ergebnisse zu erzielen sind.
Derzeit laufen bei der Firma Teva die Planungen zum Einbau von zwei Pilotanlagen im Technikmaßstab. Damit sollen die Abbauraten im Praxisbetrieb verifiziert werden. Sie sollen im Frühjahr 2024 installiert werden und für repräsentative Ergebnisse mehrere Monate in Betrieb sein. Im Anschluss daran kann beim Landratsamt Alb-Donau-Kreis der Antrag auf eine wasserrechtliche Genehmigung eingereicht werden. Auf Basis einer Pareto-Analyse werden in der Produktion „Feste Arzneiformen“ aktuell die ersten Spülgänge („first rinse“) als Abfall ausgeschleust und der thermischen Verwertung zugeführt – diese entsprechen ca. 76 Prozent der eingesetzten Wirkstoffmengen. Bei Antibiotika trennt die Firma Teva je nach Wirkstoff sogar bis zu 3 Spülgänge auf Basis einer Selbstverpflichtung im Rahmen der AMR Industry Alliance ab. Der Prozess wurde für Trimethoprim und sulfamethoxazolhaltige Präparate im November 2023 durch das British Standard Institut (BSI) erfolgreich zertifiziert.
Das K2I-Forschungsvorhaben hat in eindrucksvoller Weise gezeigt, dass künstliche und kollektive Intelligenz in Verbindung mit modernsten Analyseverfahren und die rasche und konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten zum Schutz der Gewässer und damit zur nachhaltigen Sicherung der Trinkwasserversorgung beitragen können.
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Teva ist ein weltweit führendes Unternehmen für Generika und Biopharmazeutika mit 40.000 Mitarbeitenden weltweit. In Deutschland arbeiten rund 2.900 Menschen an den Standorten Ulm und Blaubeuren. Teva stellt mehr als 3.500 verschiedene Medikamente in mehr als 60 Ländern her. Mit ratiopharm gehört Deutschlands bekannteste Arzneimittelmarke zu Teva.